Politesse mit dem Tod bedroht

Umezulike, Trahm

Alkohol ist keine Droge?!

Leserbrief zum Artikel ‚Politesse mit dem Tod bedroht’ im Soester Anzeiger vom 11.9.09

Es war nur eine kleine Wendung in einem ansonsten völlig unauffälligen Artikel, die uns ins Auge fiel: Unter dem Titel ‚Politesse mit dem Tod bedroht’ wurden mehrere Polizeiberichte wiedergegeben, in denen von Tätlichkeiten und Beleidigungen gegenüber Polizisten die Rede war. Dort hieß es von einem Autofahrer,  dass „er unter Alkoholeinwirkung stand (und möglicherweise auch unter Drogen, so die Polizei)“.
Wir fragen uns, was diese Unterscheidung zu bedeuten hat: Heißt es, dass Alkohol keine Droge ist? Und gilt Alkohol in der landläufigen Meinung, die sich in dem Ausdruck in Klammern offenbar widerspiegelt, deshalb nicht als ‚Droge’, weil er an jeder Ecke frei verkäuflich und ganz legal zu erwerben ist, ungeachtet seiner zerstörerischen Wirkung?
Diese nämlich wird bei Alkohol im öffentlichen Diskurs allzu oft verharmlost, hat doch die Alkoholindustrie eine starke Lobby, während die de facto weniger suchtauslösende Wirkung von Cannabisprodukten regulär verteufelt wird – klar, wer sollte auch an den Pflänzchen etwas verdienen! Diese seit Jahrzehnten praktizierte Heuchelei führt dazu, dass die wahren Dimensionen der Alkoholproblematik geleugnet werden und gleichzeitig andere, auch weniger schädliche Formen des Drogengebrauchs kriminalisiert und in die Illegalität getrieben werden.
Zum Vergleich: Im Jahr 2003 gab es laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren 1477 Menschen, die an den Folgen harter Rauschdrogen (in erster Linie Heroin) starben.
Tragisch genug, doch sollte man nicht übersehen, dass im gleichen Zeitraum etwa 40.000 Menschen Opfer ihres übermäßigen Alkoholkonsums wurden, ganz zu schweigen von den 110.000 Rauchern, die den Folgen ihrer Sucht erlagen. Hier ist noch der Hinweis wichtig, dass das Kiffen ebenso wenig ‚zwangsläufig’ als ‚Einstiegsdroge’ funktioniert  wie das Glas Bier am Feierabend automatisch in die Alkoholsucht führt – für die Entstehung von Sucht spielen bekanntermaßen neben der Verfügbarkeit von Rauschmitteln noch ganz andere soziopsychische Faktoren die entscheidende Rolle!
Wie also lässt es sich rechtfertigen, dass die Gefährlichkeit des Konsums von Cannabisprodukten aufgebauscht wird und die Konsumenten als Kriminelle abgestempelt werden, zugleich aber die ständige Verfügbarkeit von Alkoholika sowie die kriminellen Machenschaften der Alkoholindustrie (etwa die massive Werbung oder auch die Vermarktung jugendgefährdender süßer Mischgetränke) allgemein akzeptiert sind?
Dass hier ein gesellschaftspolitisches Umdenken dringend geboten ist, zeigt schon ein kleiner Nebensatz in einem ganz normalen Zeitungsartikel.

Elisabeth Umezulike, Warstein
Burkhard Trahm, Lippstadt