Michael Bruns: Die Menschen aufklären

Michael Bruns

Gemeinsamen Widerstand anbieten

Michael Bruns: Die Menschen aufklären
36 Jahre, Werkzeugmechaniker, Direktkandidat im Wahlkreis Soest und auf Platz 16 der Landesliste Nordrhein-Westfalen

»Ich komme aus dem Osten – aus Lippstadt!« sagte ich. Ich war als Bundestagsdirektkandidat zu einer Podiumsdiskussion des Mittelstandes in Soest geladen. Gleich nachdem ich angekommen war und mich vorgestellt hatte, wechselte einer der Gastgeber zum Gesprächsthema Ostdeutschland. DIE LINKE, das ist der Osten. Diesen falschen Schluss ziehen hier viele. Am Infostand wird man gefragt, woher man sei, es könne ja nicht sein, dass man von hier ist. Ich bin ein »richtiger Westfale«, wie man hier in der zentralen Gegend zwischen Ruhrgebiet, Ostwestfalen, Sauer- und Münsterland so sagt. In der größten Stadt des Kreises Soest, in Lippstadt (70.000 Einwohner), bin ich geboren und lebe mein ganzes Leben schon dort.

Mich freut, dass wir uns hier immer mehr verankern und wachsen. Am 30. August sind wir im Kreis Soest in fünf Kommunalparlamente eingezogen. Zwar mit geringen Prozenten, aber immerhin. Es ist anstrengend und macht doch auch Spaß. Zu unserer Wahlkampfveranstaltung mit Sahra Wagenknecht kamen 120 Menschen – sagenhaft. Ein bisheriger CDU-Wähler meldete sich zu Wort. Er fand es ungerecht, dass es ihm immer schlechter geht und seinem Chef immer besser. Deswegen denkt er jetzt um und wird uns wohl wählen.

Besonders im westlichen Teil des Kreises Soest hat die Krise im Winter folgenschwer eingeschlagen. Die Kurzarbeit ist auf Rekordzahlen hochgeschnellt. Die Standard Metallwerke in Werl gingen im Januar in Insolvenz. Mein Arbeitgeber, die Heinz Kettler GmbH & Co KG mit Standorten in Werl und Ense, kündigte am selben Tag die schrittweise Verlagerung der Produktion nach Asien an. Wir haben uns monatelang gewehrt und 1.000 Arbeitsplätze vorerst gesichert. Seit Frühjahr erleiden meine Kolleginnen und Kollegen Lohneinbußen durch Kurzarbeit. Ende Juni bekamen die ersten 100 von 296 die Kündigung. Wie geht es dann weiter? Das ist für viele der Gesprächsstoff. Wie hoch ist das Arbeitslosengeld I nach der Transferzeit? Schaffe ich es, mich in den Ruhestand zu hangeln? Die Abfindung ist heutzutage voll zu versteuern, der Arbeitslosengeldbezug ist in der Regel auf 12 Monate gekürzt, in Rente soll man aber künftig erst ab 67 Jahre. Bei Hartz IV wird die Abfindung angerechnet, man muss erst arm sein, bevor man Grundsicherung bekommt. Der erarbeitete Lebensstandard wird enteignet!

Gerade in der Krise erlebe ich, dass wir Betriebsräte in wirtschaftlichen Angelegenheiten formal machtlos sind. Uns bleibt nur der politische Kampf. Wir haben mit Druck aus der Belegschaft und der Öffentlichkeit sowie in monatelangen »Pokerspielen« am Verhandlungstisch rausgeholt, was möglich war. Unser Druckmittel war auch die drohende Insolvenz. Ich möchte, dass die Belegschaften und Betriebsräte mehr Rechte bekommen. Ich möchte im Bundestag das Megafon für die Menschen in den Betrieben sein: Wir brauchen ein Verbot von Massenentlassungen! Wir brauchen mehr Mitbestimmung! Das zerschnittene soziale Netz muss wieder enger geknüpft werden. Dafür will ich mich im Bundestag einsetzen.

Nur wenn DIE LINKE wieder eine starke Fraktion im Bundestag stellt, wissen die anderen Parteien, dass sie nicht ungestört die Lasten der Kapitalismuskrise auf die Normalverdiener, Arbeitslosen, prekär Beschäftigten, Kranken und Rentner abwälzen können. Die Milliardengeschenke an die Banken waren falsch und haben nicht zu einer verbesserten Kreditvergabe geführt und die Lage meines Arbeitgebers nicht verbessert. Die Krise wird propagandistisch jetzt schon beerdigt, bevor sie bei vielen richtig angekommen ist. Wir müssen die Menschen aufklären und ihnen gemeinsamen Widerstand anbieten.