Haushaltsrede 2011

DIE LINKE. Ratsfraktion Lippstadt

Lage der Menschen nicht verschlimmern!

Es gilt das gesprochene Wort!                                              

DIE LINKE. Ratsfraktion Lippstadt

Haushaltsrede Michael Bruns, Fraktionsvorsitzender
Ratssitzung am 28. März 2011

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Sommer!
Sehr geehrte Damen und Herren!

„Sie mögen bitte zur Kenntnis nehmen, dass es der Mehrheit der Lippstädterinnen und Lippstädter schlechter geht. Es ist nicht an der Zeit, dass die Stadt mit massivem Sozialabbau ihre Lage weiter verschlimmert,“ so begann ich meine letzte Haushaltsrede vor nur 8 Monaten.

Und ich muss es wiederholen: Sie mögen bitte zur Kenntnis nehmen, dass es der Mehrheit der Lippstädterinnen und Lippstädter schlechter geht. Es ist nicht an der Zeit, dass die Stadt mit massivem Sozialabbau ihre Lage weiter verschlimmert!

Sie haben das ignoriert und gegen unsere Stimmen den Haushalt 2010 und das sogenannte „Haushaltssicherungsprogramm“ für die nächsten Jahre auf den Weg gebracht. Sie wollten die Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten und haben die Auflage von Frau Irrgang kassiert, dies genau so umzusetzen    und zudem sich daraus ergebende mehr als prognostizierte Haushaltsverbesserungen    zusätzlich zur Konsolidierung zu verwenden. Das ist eine Entmündigung des Rates und kein Erhalt von Handlungsfähigkeit!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Bankenrettungsschirm, Eurorettungsschirm, zunehmende Staatsverschuldung, Prekarisierung der Arbeitswelt, Kürzungen bei den Ärmsten, … Die Wirtschaftsleistung ist noch nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen. Von einem Aufschwung können große Teile der Bevölkerung nichts spüren. Es ist nur ein Aufschwung für die Reichen, die Vermögenden und die Unternehmen. Die Profite steigen massiv an, seit 2000 preisbereinigt um 35 Prozent und ein durchschnittlich bezahlter Beschäftigter hat heute drei Prozent weniger.

Ein Drittel der offenen Stellen im Kreis Soest werden aktuell in der Leiharbeit angeboten. Damit einher geht das Wachstum von Niedriglöhnen. Es ist ein Skandal, dass Leiharbeiter im Kreis Soest durchschnittlich 1.146 Euro pro Monat weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen.
Monatlich wird das Lohndumping im Kreis Soest mit 200.000 Euro Lohnsubventionen in Form von Hartz-IV-Aufstockung für Leiharbeit gefördert. Wir brauchen endlich „Equal Pay“ (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit per Gesetz ohne Ausnahmen) und einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro!

Die Regierung hat das größte Kürzungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Der Ersatz von Pflicht- durch Ermessensleistungen im SGB II und SGB III, die Kürzung bzw. Abschaffung des Elterngeld bei Alg II, die Abschaffung Zuschlags bei Alg II im Anschluss an das Alg I u.v.m. führen in Wirklichkeit zu einer Verschlechterung der Lage der Erwerbslosen und mittelbar der Erwerbstätigen. Das Gerede von einer Hartz-IV-Erhöhung um 5 Euro verhöhnt die Betroffenen!
Die Abschaffung des Elterngeldes für schwangere Arbeitslose ist eine klare Ansage der Regierung: Kinder aus armen Familien sollen erst gar nicht auf die Welt kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die falsche Finanzpolitik von Eichel bis Schäuble wird DIE LINKE nicht billigen oder exekutieren – weder im Bund, noch in NRW und auch nicht in der Stadt Lippstadt.

Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen genug Geld um gut leben zu können, Sicherheit zu haben, eine Familie gründen zu können - und damit andere die Produkte und Dienstleistungen die sie produzieren wiederum kaufen können. Wir müssen den engen Gürtel endlich wieder weiter schnallen!

Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Bibliotheken, Theater, Museen, Volkshochschule, Sportplätze, Musikschule, Kindertagesstätten, Schulen und Bäder. Jede und jeder muss daran teilhaben können unabhängig vom Geldbeutel. Sozial is´ muss!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Heute soll der Rat der Stadt einen Haushalt mit 6 Millionen Euro Kürzungen* im Rahmen des Haushaltssicherungsprogrammes beschließen. DIE LINKE sagt NEIN dazu. DIE LINKE fordert den Sozialabbau zu beenden und beantragt deshalb Änderungen am Haushaltsentwurf.

Denn Stellenabbau und geringere Ausgaben sind schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung und die Kaufkraft in Lippstadt. Der Boom prekärer Beschäftigung, Befristung und Leiharbeit im gegenwärtigen „Aufschwung“ sind schlimm genug!

Sozialabbau und Gebührenerhöhungen schließen arme Lippstädterinnen und Lippstädter von gesellschaftlicher Teilhabe, Kultur und Sport aus. Soziale Verwerfungen werden vertieft. Kinderarmut und Bildungsmisere werden verschlimmert. Eltern, Kranke und Erwerbslose leiden zudem unter dem massivem Kürzungspaket der Bundesregierung.

Die Kommunen sind durch Land & Bund chronisch unterfinanziert. Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Steuereinnahmen weggebrochen. Der Haushalt der Stadt Lippstadt ist so in eine prekäre Lage gebracht worden. Die Stadt hat ein Einnahmeproblem. Und dieses trifft sie unverschuldet. Wir leben unter unseren Verhältnissen!

Wieder höhere Einnahmen sind der Ausweg. Grundlegend kann dies nur auf der Bundesebene erreicht werden. Konnexitätsprinzip, Millionärssteuer, Gemeindewirtschaftssteuer, Spitzensteuersatz, Unternehmensbesteuerung, Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer sind da die Stichworte. Zudem muss die NRW-Minderheitsregierung wie Schleswig-Holstein gegen die Schuldenbremse im Grundgesetz klagen und Bundesratsinitiativen für eine andere Steuerpolitik ergreifen.

Aber auch in Lippstadt gibt es noch Möglichkeiten für Einnahmeverbesserungen. Nutzen wir sie! Kern unserer Änderungsanträge ist die Erhöhung der Gewerbesteuer um den gröbsten Sozialabbau zu verhindern.

DIE LINKE beantragt folgende Änderungen am Haushaltsentwurf 2011:

1.Die Wirkung des Familienpass wurde durch Gebührenerhöhungen im kulturellen Bereich (VHS, Musikschule, Bücherei) eingeschränkt. DIE LINKE will den Familienpass statt dessen ausbauen, so dass dieser auch Ermäßigungen bietet für Niedriglöhner ohne Kinder.

2.Für Kinder und Jugendliche, die in Armut und von Sozialleistungen leben müssen, soll es eine „Weihnachtsbeihilfe“ von 50 Euro im Dezember geben. Die Verwaltung hat bestätigt, dass dies in dieser Höhe anrechnungsfrei möglich ist. Vor dem Hintergrund insbesondere der Abschaffung des Elterngeldes wäre dies mehr als ein symbolischer Beweis für Kinderfreundlichkeit in Lippstadt. Die Beihilfe ist notwendig!

3.Soziale Gruppenarbeit für Kinder und Jugendliche zur Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen soll wieder eingeführt werden!

4.Viele junge Menschen finden keinen Ausbildungsplatz. Die Stadt soll ihrer Verantwortung für nachwachsende Generationen und Beschäftigungsförderung nachkommen und deshalb weiter über Bedarf ausbilden!

5.Es sollen 135.000 Euro bereit gestellt werden um Personalabbau zu vermeiden und Stellen wieder zu besetzen. Der Fortbildungsetat wird nicht gekürzt. Kürzungen beim Personal sind schädlich für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung. Arbeitsüberlastung, Unterbesetzung und Angst vor harten Personalmaßnahmen sind nicht gut für die Motivation.

6.Alle Lippstädterinnen und Lippstädter sollen an Kultur & Bildung unabhängig vom Geldbeutel teilhaben können. Die schädlichen Gebühren- und Entgelterhöhungen bei der Musik- und Volkshochschule sind zurück zu nehmen!

7.Die Kürzungen beim Kunst- und Musikverein sollen zurück geführt werden! Hier werden sonst für Lippstadt wichtige weiche Standortfaktoren beschnitten.

8.Bildung ist keine Ware sondern ein Menschenrecht! Bildung soll gebührenfrei sein! Die Elternbeiträge für Kitas und Ganztagsschule sowie für die Schul- und Kitaspeisung sind im ersten Schritt zu senken und langfristig abzuschaffen!

9.Die Sportplatzpflege ist weder einzuschränken noch sind die Sportvereine mit neuen bzw. höheren Gebühren und Beiträgen zu belasten!

10.Die Ausgaben für Nachrufe, Trauergaben und Ehrengeschenke sollen zur Gegenfinanzierung um 50 % gekürzt werden! Der Gewerbesteuerhebesatz soll auf 450 Prozent erhöht werden. Das führt zu 600.000 Euro Mehreinnahmen. (Zum Vergleich: In der Stadt Hamm liegt der Hebesatz bei 465 Prozent). Die Gewerbesteuer ist nur ein Standortfaktor für Unternehmen. Eine gute soziale, kulturelle und technische Infrastruktur will finanziert sein und macht eine Stadt zudem attraktiv.

Zusätzliche Einnahmen und Ausgaben würden sich so vollständig ausgleichen. Wenn man bedenkt, dass die Prognose für die Gewerbesteuereinnahmen 2010 übertroffen wurde, wären unsere Anträge in der Summe sogar mehr als haushaltsneutral!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Kombibad:

- Die erste ausführliche Information über die Kombibadpläne fand am 2. März in der Aula des EG - nach Protesten aus der Bürgerschaft - statt. Hier erfuhren auch wir als Fraktion DIE LINKE mehr als bisher in der Bäderkommission oder im Rat der Stadt. Das kann doch wohl nicht angehen!

- Der Aufsichtsrat der Stadtwerke beschloss, dass das Freibad dieses Jahr nicht wie üblich geöffnet werden sollte. Für den Rat kam der entsprechende Antrag von Bürgermeister Sommer am 31.01. ganz überraschend. Bis zu diesem Ratsbeschluss konnte man davon ausgehen, dass die Freibadsaison 2011 nicht gefährdet war.

- Auch die heutige Beschlussvorlage entspricht einem Diktat der Stadtwerke. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund! Statt, dass die Einsparung der Freibadsaison 2011 für die 6. Bahn eingesetzt wird, schichtet die Politik die Investionen im Sportbereich zu Lasten der Sportvereine um. Nicht mit uns!

- Wir sind grundsätzlich für das Kombibad, aber nicht mit dieser konkreten Beschlussfassung! In der Frage bezahlbarer Eintrittspreise sehe ich kein Entgegenkommen, dass unsere Enthaltung hätte rechtfertigen können.

- Für DIE LINKE sind die Wählerinnen und Wähler der Chef. Wir haben zu dienen. Die Arroganz gegenüber den Wählerinnen und Wählern, die insbesondere die CDU kund tut, wenn es um die Ablehnung eines Bürgerentscheides zum Kombibad geht, … Da bleibt einem die Spucke weg! Das grenzt an Wählerbeschimpfung!   

- Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist die nicht vorhandene Gegenfinanzierung des heutigen Baubeschlusses. Sie haben beschlossen, dass die Folgen aus dem Bau des Kombibades, seiner Finanzierung und seines Betriebs allein von der Stadt Lippstadt zu tragen sind und daher zu Lasten des städtischen Haushaltes gehen, obwohl klar ist, dass die Betriebskosten entgegen einem Ratsbeschluss höher ausfallen werden. Und das ohne Deckungsbeschluss wie auch vom Kämmerer gefordert! Das ist völlig unseriös!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit

DIE LINKE. Ratsfraktion Lippstadt

Fraktionsvorsitzender Michael Bruns

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* = Volumen des HSP 2011 ca. 2 Mio. Euro weniger Ausgaben und ca. 4 Mio. Euro Mehreinnahmen