Soester Münchhausengeschichte des Bürgermeisterns

DIE LINKE. Ratsfraktion Soest

Die Menschen in Soest brauchen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Jugendtreffs, Büchereien, Museen, die VHS, Sportplätze, Kindertagesstätten und Schulen. Und jede Bürgerin und jeder Bürger muss daran teilhaben können, unabhängig vom Geldbeutel.

Haushaltsrede von Winfried Hagenkötter (DIE LINKE)

Rat der Stadt Soest, 11.12.2013

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich sagte es bereits zur Haushaltsberatung im HFA im November: Ich bin über alle Maßen enttäuscht, was uns der Bürgermeister und sein Kämmerer im Oktober präsentiert haben. 

Nach dem wir uns bereits in zwei Klausurtreffen am 20.04. und 12.10. die Grunddaten und die finanziellen Belastungen der Stadt angehört haben, wird uns im Haushaltsbuch für 2014 ein Minus von 4,9 Mio. Euro im Ergebnisplan vorgelegt. Da die Ausgleichsrücklage schon für 2013 verfrühstückt wurde, muss für 2014 wiedermal die Allgemeine Rücklage herhalten und um 4,09 % reduziert werden. Die Verschuldung der Stadt wird damit auf 125 Mio Euro getrieben, allein die Liqiuditätskredite machen bereits 62 Mio Euro aus. 

Meine Damen und Herren,

aufgrund dieser Entwicklung möchte man meinen, dass wir uns in einer extremen Krisensituation befinden. Dass die wirtschaftlichen Daten schlecht und die Arbeitslosigkeit hoch sei. Das Gegenteil ist der Fall (!), wir befinden uns in einer Hausse, wo eigentlich jeder vernünftige Mensch versuchen würde, die Schuldenlast zu reduzieren. Soest müsste sich eigentlich frei schwimmen, Beinfreiheit erhalten, um seinen Aufgaben als Soziale Stadt gerecht zu werden. Aber in der Haushaltsplanung die uns der Bürgermeister vorgelegt hat, merkt man davon nichts. Der einzige Lichtstreif am Horizont ist, so will es uns der Bürgermeister weiß machen, dass wenn man der mittelfristigen Planung folgt, wir unter seiner Regentschaft ab dem Jahr 2017 einem Goldenen Zeitalter entgegen gehen werden und eines fernen Tages, irgendwann zwischen 2035 und 2060 wird Soest Schulden frei sein. 

Meine Damen und Herren,

DIE LINKE Fraktion glaubt nicht an solche Märchen und Sie sollten das auch nicht tun. Der Bürgermeister verspricht das Blaue vom Himmel nur um in 2014 wieder gewählt zu werden. Und da sind wir auch schon mittendrin im Märchen. Angefangen bei der CDU-Landrätin Eva Irrgang, die sich als Müllers Tochter betätigt und Stroh zu Gold spinnt. Sie verspricht jedem im Kreis im Jahre 2014 die Goldtaler-Umlage nicht zu erhöhen, damit die ach so gebeutelten CDU-Bürgermeister im Kreis ein Haushaltssicherheitskonzept vermeiden können. Zu den Kommunalwahlen will man ja kein allzu schlechtes Bild abgeben. 

Ziemlich weit in den Hintergrund tritt dabei, dass der Kreis sich damit ebenfalls weiter verschuldet und im Jahr nach den Kommunalwahlen eine umso größere Erhöhung der Kreisumlage fällig ist, um die finanzielle Handlungsunfähigkeit des Kreises zu vermeiden. Es handelt sich hierbei also nicht um eine freundliche Geste der Gold-Strohspinnerin, sondern um eine verkappte Wahlkampfhilfe. 

Meine Damen und Herren,

bereits für den Haushalt 2009 versprach der Bürgermeister den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, dass man das Defizit der Stadt reduzieren würde und dass ab 2012 weniger Ausgaben mehr Einnahmen gegenüberstehen würden. Erinnern Sie sich noch, welches Ereignis 2009 in NRW stattfand?! Richtig: Kommunalwahlen. Direkt nach den Kommunalwahlen löste sich das Märchen von besseren Zeiten in Wohlgefallen auf. Das wunderschöne Märchen des Bürgermeisters von den goldenen Zeiten ab 2017 löst sich bei näherer Betrachtung ebenfalls in eine rein wahltaktisch motivierte Münchhausengeschichte auf. Im Haushaltsbuch skizziert der Bürgermeister ohne rot zu werden: Wenn sich an der derzeitigen Situation nichts ändert, dann wird die Stadt Soest nach dem Minus von 4,9 Mio Euro in 2014 in 2015 nur noch ein Minus von 4,7 Mio und in 2016 nur noch ein Minus von 2,1 Mio Euro haben. 2017 wird dann das voraussichtliche Ergebnis ins Plus drehen und der Haushalt mit einem winzigen Plus von 42.861 Euro abschließen. „Wenn alles so bleibt, wie es zurzeit ist.“

Meine Damen und Herren,

der Bürgermeister weiß ganz genau, dass es nicht so bleiben wird wie es jetzt ist! Jedes Kind weiß, dass die wirtschaftliche Entwicklung zwischen Hochs und Tiefs, zwischen Hausse und Baisse, hin und her schwankt. Die Konjunktur wird sich abschwächen, der Kreis seine Umlage erhöhen, die Zinsen für die Rekordverschuldung werden steigen und die Sozialausgaben zwangsläufig durch die Decke schießen. Dann wird der Bürgermeister wieder Sparvorschläge anmahnen und die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt einschränken. 

Bereits jetzt wird auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger gespart. Jugendtreffpunkte werden zusammengelegt, der U3 Ausbau flexibilisiert, Schulen eingedampft, Sportstätten und Kinderspielplätze dem „Bedarf“ angepasst. Die Kommunalen Betriebe werden am ausgestreckten Arm ausgehungert und die Zentrale Grundstückswirtschaft muss Jahr für Jahr mit zu wenig Geld zu Recht kommen.

Auch auf andere Weise wird an den Bürgerinnen und Bürgern gespart, denn der Bürgermeister betreibt ein gefährliches Spiel mit seinen Mitarbeitern. Jahr für Jahr bauen sich Überstunden auf, nichts Ungewöhnliches in einer öffentlichen Verwaltung die saisonal unterschiedliche Arbeitsanforderungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen muss. Aber diese Überstunden müssen irgendwann ja auch mal abgebaut werden, was in den Rängen der Abteilungsleiter schon nicht mehr so einfach ist. Der Bürgermeister und der Kämmerer haben diesen misslichen Umstand bei der Beratung des Stellenplans unumwunden zugegeben und der Personalrat der Stadt wird nicht müde Jahr für Jahr die Arbeitsverdichtung und die zunehmen schlechten Bedingungen anzuprangern. 

Schlechte Arbeitsbedingungen führen zu schlechten Leistungen. Die Leistungen der städtischen Verwaltung kommen aber immer den Bürgerinnen und Bürgern zugute, was genau genommen bedeutet: 

Schlechte Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter = schlechte Leistungen für die Bürger

Meine Damen und Herren,

die Verschuldung pro Einwohner wird 2014  2.580 Euro erreichen. Bis 2016 sollen sich die Liquiditätskredite auf 67 Mio Euro aufgetürmt haben. Man muss kein Rechengenie sein, um zu wissen, dass das unglaublich hohe Zinszahlungen bewirkt; zusammen mit den langfristigen Investitionskrediten zusätzliche Belastungen in Höhe von 4 bis 5 Mio Euro pro Jahr für die Stadt. Die Verwaltung hat uns bereits im April erläutert, wie wir die anhaltenden Defizite der Stadt bekämpfen können: Der Aufwuchs der Liquiditätskredite muss gestoppt werden und der Schuldenberg muss reduziert werden. Das erreicht man nicht, wenn man die Hände in den Schoß legt und abwartet oder eine Märchenstunde zur Mittelfristigen Planung abhält. 

Auf der Klausurtagung im April hat man es uns vorgerechnet: Wenn wir nichts tun und sich die wirtschaftliche Situation nicht ändert, sollte sich aus dem Saldo der Ergebnis- und Finanzrechnung der Schuldenberg der Liquiditionskredite in den nächsten 10 Jahren um 10 Mio Euro verringert haben. Hipp Hipp Hurra! In 10 Jahren 10 Mio Euro weniger Schulden. Dann müssen wir ja nur bis 2068 warten, bis Soest seinen Schuldenberg abgebaut hat. Na, da erwarte ich aber, dass der EX-Bürgermeister Ruthemeyer in dem Jahr bei mir vorbei kommt und mir zu meinem 100. Geburtstag gratuliert!

Meine Damen und Herren,

der griechische Philosoph Demokrit sagte: Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende. Er wollte damit nicht sagen, dass man neben Mut auch noch das Fortune des Spielers braucht, sondern, dass wenn man den Mut zum Handeln aufgebracht hat, einem am Ende eine glückliche Zukunft erwartet.

Auch in Bezug auf den städtischen Haushalt muss man Mut beweisen, wenn man die Schuldenlast reduzieren will. 

Um die Schulden auf null zu bringen benötigt unsere Stadt 5,5 Mio mehr pro Jahr um das Schulden-Null bis 2025 zu erreichen. Wenn das Ziel erst 2030 erreicht werden soll dann benötigen wir wenigstens 3,7 Mio jährlich oder bis 2035 wenigstens 2,8 Mio jährlich Mehreinnahmen. Und bevor jetzt wieder das Lamento der konservativen Fraktionen über Sparen, Sparen, Sparen beginnt, sage ich ihnen: Es ist völlig illusorisch zu behaupten, dass könne man durch weitere drastische Einsparungen erreichen! Was wollen Sie machen?! Alle Jugendtreffs schließen, die städtische Verwaltung nach Marokko outsourcen, die Stellen um die Hälfte reduzieren oder die Überstunden in noch ungeahnte Höhen treiben? Ich persönlich befürchte, dass ihnen das eine oder andere sicherlich gefallen würde. Allerdings wird es den Bürgerinnen und Bürgern sicherlich nicht gefallen, dass man sie hier für dumm verkaufen will.

Meine Damen und Herren,

wenn man an dieser Situation etwas ändern will, und zwar jetzt und nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag, muss man die Gewerbesteuer erhöhen, nirgendwo sonst können so viele Mittel auf einmal generiert werden. Wenn die Gewerbesteuer um 10 Punkte erhöht würde, würde das 550.000 Euro mehr in der Stadtkasse ausmachen. Eine Erhöhung um 20 Punkte würden 1,1 Mio Euro in die Kassen der Stadt spülen. Das ist bereits die Hälfte von dem, was die Stadt benötigt, um ihre Schuldenlast in einem überschaubaren Rahmen reduzieren zu können. 

Meine Damen und Herren,

die Menschen brauchen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Jugendtreffs, Büchereien, Museen, die VHS, Sportplätze, Kindertagesstätten und Schulen. Und jede Bürgerin und jeder Bürger muss daran teilhaben können, unabhängig vom Geldbeutel.

Auch für die Gewerbetreibenden ist eine lebendige und zukunftsfähige Stadt mit einer ausgezeichneten Infrastruktur absolut unverzichtbar. Effiziente öffentliche Dienstleistungen und gute Einrichtungen im Bereich Soziales, Kultur, Bildung, Jugend und Sport sind Grundlage ihres geschäftlichen Erfolges. 

Seit Jahren greift die Stadt den Gewerbetreibenden mit diesen Grundlagen unter die Arme, jetzt müssen auch mal die Gewerbetreibenden der Stadt unter die Arme greifen.

Und sehen wir uns doch mal in der Nachbarschaft um. Dort ist ein Steuersatz von 450 Punkten keine Seltenheit und die Gewerbesteuer ist eine Steuer nur auf den Gewinn. Nur wenn die Betriebe Gewinne machen, müssen sie diese Steuer überhaupt zahlen! 

Deshalb beantragt DIE LINKE Fraktion, wie wir es auch schon in den vergangenen Jahren beantragt haben, die Gewerbesteuer für 2014 um 20 Punkte auf 450 Punkt anzuheben.

Meine Damen und Herren,

kurz vor Ende meiner Rede möchte ich dann noch mal einen Exkurs zum Thema Kunstrasenplatz machen.

Es hätte dieser Stadt gut gestanden, wenn man sich einmal wenigstens, ohne viel Lamentieren sofort dazu entschlossen hätte, dem Soester Süden zu helfen. Ein Kunstrasenplatz für den Süden (und nicht nur in seiner Nachbarschaft) wäre ein besonderes Zeichen gewesen, dass man es nicht zulässt, dass dieser wichtige Stadtteil auf einem Abstellgleis abgehängt wird. Sicherlich, da verspricht die Mehrheit des Sportausschusses und die Mehrheit des Rats als Trostpflaster in zukünftigen Zeiten über einen Kunstrasenplatz auch im Soester Süden nachzudenken. Aber wenn man mal die Realitäten betrachtet, stellt man fest, dass eine Menge Versprechungen für den Soester Süden gemacht wurden. Bis sie umgesetzt wurden vergingen zumeist Jahre oder Jahrzehnte (Kindergarten Bunte Welt!) – bei einigen Versprechen warten wir heute noch auf die Einlösung. 

Meine Damen und Herren, 

wir haben uns in Workshops und Ausschüssen Gedanken gemacht und Papiere verfasst was im Soester Süden schief läuft, was geändert werden muss, worauf geachtet werden muss. Wenn es darum geht Belastungen zu verteilen (Unterkünfte für Flüchtlinge), da ist der Soester Süden für Sie gut genug, wenn es aber darauf ankommt Ihren schönen Worten und Versprechungen die Sie gemacht haben, auch mal Taten und Geld folgen zu lassen, beißt man bei Ihnen auf Granit. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im vorliegenden Haushaltsbuch sind die Lasten, wie auch schon in den Vorjahren, ungerecht verteilt. Die Schuldenlast wird an die nächsten Generationen weiter vererbt und den Bürgerinnen und Bürgern aus wahltaktischen Gründen das Blaue vom Himmel versprochen. Und während die Bürgerinnen und Bürger alle Lasten tragen müssen, werden diejenigen die es sich leisten können geschont.

DIE LINKE Fraktion wird diesem Haushalt und dieser unsozialen Politik nicht zustimmen. 

Vielen Dank.


Winfried Hagenkötter
DIE LINKE Fraktion, Fraktionsvorsitzender