Winfried Hagenkötter: Nein zum Haushalt

DIE LINKE. Ratsfraktion Soest

Wer jetzt kürzt, wird morgen draufzahlen!

DIE LINKE. Ratsfraktion Soest
14.07.2010 Haushaltsrede von Winfried Hagenkötter


Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

die falsche Politik der Deregulierung und Lohnsenkung ist ein Grund für den Einbruch der Einnahmen der Stadt Soest. Die fortgesetzte Steuersenkungspolitik für Konzerne, Reiche, Bestverdienende, Erben und Hoteliers ist die andere Seite ein und desselben Problems.
Die Kommunen brauchen wieder einen höheren Anteil am Steueraufkommen! Der Spitzensteuersatz muss wieder auf 53 % angehoben werden, so wie zu den Zeiten Helmut Kohls.
Die Gewerbesteuer ist das Lebenselixier der Städte und muss zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiter entwickelt werden. Und zukünftig sollten alle unternehmerisch Tätigen - auch Freiberufler - in die Steuer einbezogen werden!

Die chronische Unterfinanzierung vor allem der Pflichtaufgaben zu Lasten der Kommunen, die falsche Verteilung der Kosten der deutschen Einheit, eine abenteuerliche Steuerverzichtspolitik zugunsten der Reichen, eine langjährige Umverteilung von unten nach oben sowie die Konzentration von Wirtschaftsressourcen auf eine finanzmarktgetriebene Profitmaximierung haben einen gewaltigen Scherbenhaufen hinterlassen.
Für die Bankenrettung wurde in der Finanzkrise, die übrigens immer noch nicht wirklich überwunden ist, ein milliardenschwerer Schutzschirm errichtet, wobei die Verursacher der Finanzkrise gleichzeitig zu Nutznießern des Schutzschirms wurden. Im Übrigen streichen sie auch noch einen Extraprofit von den Zinszahlungen der Kommunen ein.

Die Kommunen ließ man alleine im Regen stehen.

Nach den unvorstellbaren Milliardensummen zur Rettung der Finanzmärkte kommt jetzt die Gegenrechnung:
Das völlig unsoziale, sogenannte „Sparpaket“ der Bundesregierung.
Ich gehe deshalb hier darauf ein, weil die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen auf unsere Stadt negativ sein werden. So werden beispielsweise die Kürzungen beim Heizkostenzuschuss für Hartz IV Empfänger und die Kürzungen beim Übergangsgeld für Arbeitslose letztendlich die Haushalte der Stadt und des Kreises belasten – wobei der Kreis sich seine Ausgaben über die Kreisumlage von unserer Stadt wieder zurück holen wird.
Auf 28 Milliarden Euro Steuersenkungen und Subventionen für Besserverdienende und Unternehmen folgen 32 Milliarden Euro Sozialkürzungen bis zum Jahr 2014.

Neun Milliarden Euro Einkommenssteuergeschenken für Reiche und Unternehmen stehen 7,2 Milliarden Euro gestrichene Rentenbeiträge bei Hartz IV Beziehern gegenüber.

Eine Milliarde Euro Mehrwertsteuerersparnis für Hotelbesitzer wird finanziert durch 1,6 Milliarden Euro Elterngeldabschaffung.

Nach dem 4 Milliarden Euro für die Abwrackprämie gezahlt wurden, werden nun 4,5 Milliarden Euro bei der Arbeitsmarktintegration für Langzeiterwerbslose gestrichen.

Das bedeutet im Klartext:
Wer heute keine Chance hat, bekommt sie auch morgen nicht.
Und die Folgen dieser unsozialen Politik dürfen natürlich die Städte und Gemeinden tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 03. Februar diesen Jahres hat der Bürgermeister den Haushalt 2010 in den Rat eingebracht und es hat fünf Monate gebraucht darüber zu reden – allein gebracht hat es wenig!

Auch DIE LINKE. Fraktion im Rat der Stadt Soest stellt sich der dramatischen Schieflage der städtischen Finanzen.
Auch wir stellen uns der Herausforderung den städtischen Haushalt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu entlasten.
Auch wir wollen sinnvolle und vertretbare Einsparungen in der Verwaltungsorganisation und bei den politischen Gremien.
Was wir nicht wollen, ist die Axt an den Jugend- und KiTa-Einrichtungen der Stadt, am Ausbau der Betreuung für unter 3 jährige und den Öffnungszeiten der städtischen Einrichtungen.

Die Verwaltung hat jede Menge Vorschläge unterbreitet, wie man auf Kosten von Kultur, Bildung, Familien, Kindern und Jugendlichen kürzen kann.

Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen genug Geld um gut leben zu können, Verlässlichkeit, um eine Familie gründen zu können - und damit andere die Produkte und Dienstleistungen die sie produzieren wiederum kaufen können.

Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Jugendtreffs, Büchereien, Museen, die VHS, Sportplätze, Kindertagesstätten und Schulen. Und jede Bürgerin und jeder Bürger muss daran teilhaben können, unabhängig vom Geldbeutel.

Die Verwaltungsspitze sagt: Wir haben ein Ausgabenproblem.
Kein Problem hat der Bürgermeister damit 150.000 Euro pro Jahr für die sogenannte Stadtwache auszugeben, nur um das Sicherheitsgefühl einiger besorgter Bürger zu beruhigen.

Auf der anderen Seite macht die Verwaltungsspitze im sogenannten Zukunftsprogramm Vorschläge, Jugendtreffs dicht zu machen und Freizeit- und Integrationsangebote für Jugendliche zu kürzen.

Jugendtreffs schließen und Ordnungshüter auf die Straße!
Das macht den Eindruck, als wenn die Verwaltung noch nie etwas von Sozialarbeit und Nachhaltigkeit gehört hat.
Glaubt hier jemand wirklich ernsthaft daran, dass die Berichte in der Presse über nächtliche Randale auf dem Marktplatz oder sonst wo in der Stadt enden werden, nur weil die Stadt 3 neue Hilfssheriffs einstellt?!
Glauben Sie wirklich, dass Autoaufbrüche zurückgehen, weil 3 neue Augenpaare alle Straßen und Parkplätze der Stadt gleichzeitig beobachten werden?! Glauben sie wirklich, ein Gauner bricht ein Auto auf, wenn ein Schutzmann des Weges kommt?!
Soest ist arm, Soest hat kein Geld. Soest hat keine 10.000 Euro für Kulturförderung, keine 7.000 Euro für den Jugendtreffpunkt Nord, keine 30.000 Euro für den Jugendtreff im Soest Süden.
Soest ist arm, Soest hat kein Geld. Soest hat keine 17.000 Euro für das Personal im Morgener Haus, keine 15.000 Euro zur Aufrechterhaltung der Öffnungszeiten der Bücherei, keine 85.000 Euro für den weiteren Ausbau für die Betreuung unter 3 jähriger.
Aber Soest ist reich, Soest hat jede Menge Geld. Soest kann sich 150.000 Euro für 3 schicke neue Ordnungshüter leisten!

Bei Gustave Flaubert heißt es (frei zitiert): „Die Zukunft ist ein stockfinsterer Korridor, und die Tür ganz hinten ist gut verschlossen.“
Im Sinne der Verwaltung müsste man wohl sagen „Die Zukunft endet an einer nackten Wand ohne Tür!“
Denn dieses sogenannte Zukunftsprogramm, was uns der Bürgermeister und sein Kämmerer unterjubeln wollen, bedeutet das Ende jeglicher Zukunft. Zukunft bedeutet Leben, Kreativität, sich entwickeln.
Im Zusammenhang mit den Kürzungsvorhaben ist das Wort „Zukunftsprogramm“ wohl eher ein Euphemismus.

Die Verwaltungsspitze, und wie ich stark vermute die Ratsmehrheit mit ihnen, verweigert sich strikt den Vorschlägen nicht nur auf die Ausgabenseite des Haushalts zu sehen, sondern auch mal einen Blick auf die Einnahmenseite zu werfen. Die Grundsteuer B anzuheben ist ja eine praktikable Methode für mehr Einnahmen im städtischen Haushalt zu sorgen, wobei wir ganz genau wissen, dass diese Erhöhung nicht nur den einfachen Häusle-Besitzer, sondern auch jede Menge Mieter treffen wird, die letztendlich die erhöhte Grund-Steuer des Vermieters serviert bekommen.

Aber was ist mit der Grundsteuer A? Was ist mit der Gewerbesteuer?
Als ich das den Bürgermeister fragte, sagte der „Die Vorschläge der Fraktionen wurden zu spät eingereicht und können ja vielleicht berücksichtigt werden, wenn’s der Stadt noch schlechter geht“.
Zu spät eingereicht!
Man könnte meinen, wenn man das hört, die gut bezahlten Verwaltungsmenschen in unserer Stadt seien dermaßen phantasielos, dass sie nicht selbst auf den Vorschlag kämen die Gewerbesteuer anzuheben.

Nun, ich brauche jedenfalls nicht viel Phantasie um zu verstehen, dass die Verwaltungsspitze die Erhöhung DIESER kommunalen Steuern schlicht NICHT WILL.

Warum sollte man die Steuern auch erhöhen. Es ist ja schon völlig ausreichend, wenn die schmalen Schultern von Kindern und Jugendlichen und die gebeugten Rücken der Familien die Last des Haushaltsdefizits tragen.

Ein Wort noch zu den Vertretern der Wirtschaft, die bei einer Erhöhung der Gewerbesteuer immer gleich den „Untergang des Abendlandes“ prophezeien. Deren Argumente überzeugen nicht.
Auch für sie ist eine lebendige und zukunftsfähige Stadt mit einer ausgezeichneten Infrastruktur absolut unverzichtbar. Effiziente öffentliche Dienstleistungen und gute Einrichtungen im Bereich Soziales, Kultur, Bildung, Jugend und Sport sind Grundlage ihres geschäftlichen Erfolges. Weiche Standortfaktoren nennt man so etwas.
Auch dafür brauchen wir eine effiziente und hoch motivierte Verwaltung. Für all das braucht eine Kommune Einnahmen und die Soester Gewerbetreibenden haben die starken Schultern, um sich an den Kosten des Gemeinwesens zu beteiligen.

Die Bürgerversammlung am 10. Juni hat es gezeigt: Es gibt ein bürgerschaftliches Potenzial an Ideen, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein.
Die zahlenmäßig mangelhafte Teilnahme interessierter Bürger sollte die Verwaltung aber nicht entmutigen, sondern sie sollte Ansporn sein. Haushaltsfragen sind eine komplizierte Materie und lassen sich nicht mit ein paar dünnen Worten erklären.
Bürger, die die Grundlagen eines kommunalen Haushalts nicht verstehen, können auch keine qualifizierten Vorschläge machen. Und den Bürgern nur die Optionen des Kürzens und Streichens in die Hand zu geben ist ein Missbrauch dieses bürgerschaftlichen Engagements.
Lassen sie uns den Menschen endlich handfeste Mitspracherechte beim Haushalt und seinen Prioritäten einräumen. Dann kann aus dem städtischen Haushalt ein echter Bürgerhaushalt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es dürfte klar sein, dass unsere Stadt mit jeder weiteren Kürzung unattraktiver wird und an Lebensqualität verliert.
Deshalb sagen wir: Wer jetzt kürzt, wird morgen draufzahlen!
DIE LINKE kämpft für soziale Gerechtigkeit. Dieser Haushalt ist nicht gerecht. Seine Lasten sind völlig ungerecht verteilt. Entsprechend werden wir dem Haushalt nicht zustimmen.

Vielen Dank.

Winfried Hagenkötter, Fraktionsvorsitzender
DIE LINKE. Ratsfraktion Soest