Schwangerschaftsabbrüche: Körperliche Selbstbestimmung ist ein Grundrecht

Die Linke Kreisverband Soest

Ein Kommentar zur Entscheidung des Christlichen Klinikums Lippstadt, keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchzuführen – und zur Rolle der Kirche im Gesundheitssystem.

In Lippstadt spielt sich derzeit ein besorgniserregender Rückschritt im Bereich reproduktiver Rechte ab. Mit der Fusion des evangelischen und katholischen Klinikums zum „Christlichen Klinikum Lippstadt“ wurde de facto ein Ende medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche eingeläutet. Nur noch wenn das Leben der Mutter akut in Gefahr ist, sollen Abbrüche erlaubt sein – ein dramatischer Bruch mit der bisherigen Praxis und ein direkter Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung schwangerer Menschen.

Die katholische Kirche – als einer der Träger – hat sich hier mit einer restriktiven Linie durchgesetzt. Der Chefarzt der Gynäkologie, Prof. Joachim Volz, klagt zu Recht gegen diese Entscheidung. Es geht nicht nur um seine ärztliche Praxis, sondern um die Versorgung von Patientinnen in höchster Not. Es geht um Frauen, die vor schwerwiegenden Diagnosen stehen. Um Paare, die mit der Aussicht auf ein schwer behindertes Kind konfrontiert sind. Um Menschen, die ihre Entscheidung nicht leichtfertig, sondern in tiefer existenzieller Verantwortung treffen.

Der Staat kuscht vor der Kirche

Noch absurder ist, dass selbst die privaten medizinischen Entscheidungen des Chefarztes in seiner eigenen Praxis durch das Klinikmanagement untersagt werden sollen. Die Begründung des Arbeitsgerichts, Volz repräsentiere als Chefarzt „in besonderer Weise die Klinik“, zeigt, wie tief die Vermischung zwischen religiöser Moral und öffentlichem Auftrag bereits reicht. Hier wird nicht das Neutralitätsgebot des Staates gewahrt, sondern religiöser Dogmatismus über die Gesundheit und Würde realer Menschen gestellt. Dabei ist klar: Kirchliche Trägerschaft darf nicht gleichbedeutend sein mit religiösem Zwang. Kliniken, die öffentliche Daseinsvorsorge übernehmen, müssen sich an gesamtgesellschaftliche Werte halten – nicht an kirchliche Dogmen. Das gilt insbesondere für medizinische Versorgung auf Grundlage wissenschaftlicher Standards und im Rahmen geltender Gesetze.

Abtreibungen aus ideologischen Gründen zu verhindern, ist Gewalt

Was die Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen in ihrer moralischen Überlegenheit ausblenden: Ein Verbot führt nicht dazu, dass Abtreibungen verhindert werden. Es führt nur dazu, dass sie illegal, gefährlicher und belastender werden. Frauen werden gezwungen, sich heimlich Hilfe zu suchen, weite Wege auf sich zu nehmen oder unter prekären Bedingungen abzutreiben. All das in einem Land, das sich rühmt, eine moderne, aufgeklärte Demokratie zu sein.

Es ist anmaßend und gefährlich, den Menschen das Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung über ihren Körper abzusprechen – und dies mit „Schutz des ungeborenen Lebens“ zu rechtfertigen, während man das geborene Leben der Schwangeren psychisch und physisch ignoriert oder gar gefährdet. Die kirchliche Position hier ist keine moralische Überlegenheit, sondern eine autoritäre Haltung, die auf Kontrolle und Machtausübung basiert.

Unser Gesundheitswesen darf kein Ort für religiösen Fundamentalismus sein.
Solidarität mit den Betroffenen und dem medizinischen Personal!


Dass solche Entscheidungen überhaupt möglich sind, zeigt ein strukturelles Problem: Die Macht der Kirchen im deutschen Gesundheitswesen ist viel zu groß. Rund ein Drittel aller Krankenhäuser in Deutschland befindet sich in kirchlicher Trägerschaft. Und obwohl sie öffentlich finanziert werden, dürfen sie sich Sonderrechte herausnehmen – etwa bei Personalentscheidungen, bei den Arbeitsrechten oder eben bei medizinischen Leistungen. Diese Macht muss endlich begrenzt werden. Wer öffentliche Aufgaben übernimmt, muss sich auch öffentlichen Standards unterwerfen. Dazu gehört auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nach medizinischer Indikation. Alles andere ist institutionalisierte Diskriminierung.

Wir fordern:

  • Die konsequente Entflechtung von Kirche und öffentlichem Gesundheitswesen.
  • Die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.
  • Ein flächendeckendes, wohnortnahes und neutrales Angebot für sichere Abbrüche.
  • Den Schutz medizinischer Fachkräfte, die sich für reproduktive Rechte einsetzen.

Körperliche und reproduktive Selbstbestimmung für alle sind zentrale Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Familien- und Lebensplanung. Deshalb muss die Entscheidung gegen eine Schwangerschaft frei von Zwängen, Hindernissen und Stigmatisierung möglich sein. § 218 StGB muss ersatzlos gestrichen werden. Die Versorgungslage ungewollt Schwangerer muss deutschlandweit verbessert werden. Beratungsangebote müssen freiwillig statt verpflichtend sein. Der Schwangerschaftsabbruch muss als medizinischer Eingriff gelten, der zur gesundheitlichen Versorgung dazugehört.

Beratung & Hilfe:
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass es zahlreiche Unterstützungsangebote für Menschen gibt, die sich mit einem Schwangerschaftsabbruch auseinandersetzen müssen. Niemand ist allein.

Pro Familia: www.profamilia.de
Beratungsstellen in NRW: www.familienplanung.de
Petition "Stoppt die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen!" https://innn.it/keinmord

Der Kampf um Selbstbestimmung geht weiter – in Lippstadt, in Soest und überall.