ADFC Wahlprüfsteine Radverkehr in Lippstadt

DIE LINKE Lippstadt

"Wir wollen die heutige Auto-Priorität in eine Umweltverbund-Priorität ändern."

Unsere Antworten auf die Fragen des ADFC Lippstadt (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. ):

1.) Wie sehen Sie allgemein die Situation der Radverkehrsanlagen in Lippstadt?

Sozial-ökologische Verkehrspolitik in unserem Sinne wird in Lippstadt bisher viel zu wenig gemacht. Aber es gibt Fortschritte: Wir freuen uns über das "Integrierte Mobilitätskonzept" mit zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs (Lückenschluss in der Cappelstraße) und Tempo 30 in der Altstadt.

Die bisherigen Klimaziele der Stadt sind unzureichend. Der Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen soll binnen 18 Jahren nur um +3,6 Prozentpunkte steigen. Das reicht nicht! Wir wollen den Fuß- und Radverkehr sowie den ÖPNV deutlich attraktiver machen. 

Es gibt sehr viel Luft nach oben für den Umweltverbund und insbesondere den Radverkehr. Verkehrspolitik in Lippstadt wird zu sehr aus Autosicht gemacht. Wir möchten dem Radverkehr so komfortabel gestalten wie in den Niederlanden (oder mindestens wie in Kopenhagen). 

Radwege nicht nur für Freizeit und Tourismus: Wir wollen Fahrradrouten für den Alltag schaffen, damit so viele Wege wie möglich bis etwa 20 Kilometern Länge problemlos per Rad erledigt werden können. Mit Pedelecs ist ja heute immer mehr Strecke für mehr Menschen machbar. Es fehlen nur die Radwege in der Stadt oder etwa von Overhagen nach Bennighausen.

Neue Radwege, Fahrradstraßen und Radschnellwege sollen her und miteinander über Knotenpunkte verbunden werden.

Der Verkehr zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus & Bahn und dem (ökologisch angetriebenen) Auto sollte gut vernetzt werden. Dazu gehören beispielsweise abgestimmte Taktzeiten und Fahrpläne, Mobilitätsstationen, Leihräder, Carsharing, Park-&-Ride-Plätze mit (kostenlosen) Shuttles, Bike-&-Ride-Plätze, Micro-Hubs für den Lastentransport, Mitfahrgelegenheiten, E-Auto-Ladestation und BIOmethan- bzw. CNG-Tankstellen.

Nötig ist: 

  • Je nach Art der Straßen sind Schutzstreifen, Radfahrstreifen, geschützte Radfahrstreifen oder bauliche Radwege.
  • Eine bauliche Abgrenzung vom restlichen Straßenverkehr an größeren Straßen.
  • Radwege dürfen nicht fremdgenutzt werden. Die Kontrollen von Parkvergehen auf Fuß- und Radwegen und in zweiter Reihe sollen verstärkt werden. 
  • Die Sichtbarkeit von Radfahrenden im Straßenraum ist zu verbessern und deren Sicherheit erhöhen.
  • Kreuzungen sind mit Fahrradaufstellflächen, vorgezogenen Haltelinien und Hindernisfreiheit zu gestalten.
  • Fahrradverkehr mit eigenen Ampeln und eigenen Ampelphasen (in der Regel gleichberechtigt Grünlicht mit dem Kfz-Verkehr statt "Bettelampeln") ausstatten.
  • Es müssen deutlich mehr Fahrradständer aufgestellt werden.
  • Ausbau und Sicherung des Betriebs der Radstation am Bahnhof müssen gewährleistet sein.
  • Wir fordern die Einrichtung von Micro-Hubs als innerstädtische Zwischenlager, eine Auslieferung zum Kunden per Lastenfahrrad sowie weiteren ökologisch vertretbaren Verkehrsmitteln. 
  • Die Mängelliste des ADFC ist zügig abzuarbeiten.

Mit Fahrradaktionstagen bzw. Aktionen für ökologische Mobilität, wie zum Beispiel einem autofreien Tag in der Innenstadt kann für den Klimaschutz geworben werden.

2.) Bisher verstand man in Lippstadt unter Optimierung der Lichtsignalanlagen allein die Flüssigkeit des PKW-Verkehrs, was zur Folge hat, dass Radfahrende an Ampeln benachteiligt werden, während der Autoverkehr freie Fahrt hat. Was werden Sie unternehmen, um eine Gleichberechtigung des Radverkehrs an Ampeln zu fördern?

Auf Antrag der LINKEN hat der Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschuss im März 2020 beschlossen, dass Radfahrer*innen an allen Ampeln automatisch gemeinsam mit den Autofahrer*innen Grünlicht bekommen sollen – und nicht erst nach Knopfdruck.

Lichtsignalanlagen werden künftig so geplant. Bestehende Anlagen sukzessive umgerüstet. Wenn das mal aus Sicht der Verwaltung nicht möglich ist, muss das im Verkehrsausschuss beraten werden.

Wir werden Druck machen, dass der Beschluss umgesetzt wird. Zudem wollen wir den Einsatz alternativer automatischer Anforderungssysteme für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen an Signalanlagen (z.B. Wärmebildkameras).

3.) In einigen Straßen Lippstadts wurde bereits die Benutzungspflicht für Radwege aufgehoben (z. B. Westernkötter Str., Esbecker Str.). Sind Sie offen für die Aufhebung der Benutzungspflicht für bestimmte Radwege? Falls ja, würden Sie sich für die Aufhebung an der Barbarossastraße einsetzen?

Ja und ja. Bauliche Radwege sind oft in keinem guten Zustand, es geht Berg und Tal, zudem stören Grundstückseinfahrten und Verschwenkungen für Parkbuchten. Getrennte Einrichtungs-Radwege links und rechts der Kfz-Fahrbahn zwingen Radfahrenden in eine künstlich unflexible Fahrweise auf wie Pkw auf Autobahnen, wo man bis zur nächsten Abfahrt weiter muss um die Richtung zu ändern.
Wenn wir mehr Radverkehr bekommen und mehr Tempo 30 zum Schutz vor Unfällen, was wir beides anstreben, dann ist Benutzungspflicht von Radwegen noch weniger sinnvoll als heute. Eine bauliche Abgrenzung vom restlichen Straßenverkehr für den Radverkehr mit Benutzungspflicht ist höchstens an größeren Straßen mit höheren Geschwindigkeiten des Kfz-Verkehrs sinnvoll.  

4.) Unterstützen Sie die Forderung des ADFC nach einem Programm zur Sanierung und Komfortverbesserung von Radwegen (z. B. Südertor bis Südstraße)?

Ja.

5.) Halten Sie es für möglich, die klimafreundlichen Mobilitätsformen (Fahrrad, ÖPNV und zu Fuß gehen) attraktiver zu machen ohne Einschränkungen für den Kfz-Verkehr? Falls ja, wie?

Wir wollen zu Fuß gehen, Radverkehr und ÖPNV einen höheren Stellenwert geben. Dabei ist unter Umständen abzuwägen bzw. zu sichern, dass Maßnahmen für den Rad- und Fußverkehr nicht den Busverkehr ausbremsen. 

Wir wollen die heutige Auto-Priorität in eine Umweltverbund-Priorität ändern. Wir brauchen eine sozial-ökologische Mobilitätswende! Raum ist in unseren Straßenzügen nicht vermehrbar. Was man dem Verkehr zu Fuß, dem Radverkehr und dem ÖPNV zuschlägt, wird man zum Teil auch dem Kfz-Verkehr wegnehmen müssen. So ist zum Beispiel straßenbegleitendes Parken gegebenenfalls zugunsten der Sicherheit, der Aufenthaltsqualität sowie des Rad- und Fußverkehrs zurücknehmen. 

Wir möchten zum Beispiel den Marktplatz neu gestalten mit Verbesserung der Fuß- und Radwegeverbindung (Achse Helle Halle / Mühlenpfad). Besonders direkt vor dem Museum sollen keine Autos mehr parken. 

DIE LINKE will den autoverkehrsberuhigten Bereich der Lippstädter Altstadt deutlich ausweiten ("autoluw" nach Vorbild der Niederlande). Auto-Durchgangsverkehre durch die Altstadt wollen wir vermeiden und kanalisieren.

Mit der Tangente Udener Straße wurde u. a. die Friedrichstraße und das Soesttor entlastet. Wenn die Südtangenten-Trasse über das Uniongelände fertig gestellt ist, gehört das unseres Erachtens zusammen mit noch weitergehender Verkehrsberuhigung in der Altstadt.

Bei der Verkehrsberuhigung im gesamten Stadtgebiet sollen auch Superblocks-Konzepte geprüft werden. Innerhalb einer Superblock-Zone gelten Vorrang für Fußgänger*innen und Fahrradfahrende sowie starke Beschränkungen für den Kfz-Verkehr. Außerhalb und zwischen den Superblocks kann der Verkehr normal fließen. 

6.) Wie stehen Sie zur Einrichtung einer temporären Umweltspur für Fahrräder und Busse in der Lange Straße Nord (Bereich Tivoli, Post), um die Sicherheit und den Komfort für den Radverkehr zu verbessern?

Wir haben davon aus der Presse erfahren. Der Vorschlag wird am 25.08.2020 im Fachausschuss beraten. Das ist also kein Wahlprüfstein sondern schon vorher konkret. Mit dem Abgabeschluss dieser Wahlprüfsteine spätestens am 16.08.2020 müssen wir antworten ohne die Sachdarstellung der Verwaltung. Wir werden den Antrag und die Sachdarstellung diskutieren und unser Abstimmungsverhalten besprechen. Angebliche Abbiege-Probleme werden wir prüfen. 

Das Ergebnis unserer Beratung nehmen wir ungerne vorweg. An unserer politischen Grundausrichtung gemessen, begrüßt DIE LINKE den Antrag natürlich. Der Radweg auf der Seite der Bushaltestelle Tivoli ist viel zu schmal. Die Benutzungspflicht sollte aufgehoben werden. Da legen wir uns fest. 

Unsere Vorstellungen gehen weiter als eine Umweltspur Lippertor. Wir möchten die Aufenthaltsqualität in der Altstadt verbessern. Es soll künftig nur noch schwer möglich sein mit dem Auto durch die Altstadt von Norden in den Süden und vom Süden in den Norden zu kommen. Dafür sollen die Tangenten genutzt werden zudem soll der Verkehr nach dem städtischen Verkehrskonzept "Klimafreundliche Mobilität" auf den Umweltverbund verlagert werden. Wir möchten das konsequent umsetzen. Es ist zu befürchten, dass das nicht bei allen Parteien der Fall ist.

Aus der Lange Straße Nord in Richtung Lippertor würde so künftig viel weniger Kfz-Verkehr fahren. Natürlich würde der Straßenzug noch wichtiger für den Umweltverbund. Man soll zum Altstadt-Kern fahren können als Anlieger und Anwohner*in, um dort einzukaufen, etwas zu erledigen und kann wieder hinaus fahren. Es sollte Park-&-Ride-Plätze mit (kostenlosen) Shuttles geben. Der Kumarkt sollte als Parkplatz für die (nahezu autofreie) Altstadt erreichbar bleiben. 

Die Umweltspur Lippertor wäre eine kleine positive End-of-pipe-Sofortmaßnahme. Als befristeter Verkehrsversuch sollte eigentlich niemand etwas dagegen haben.  

7.) In der Planung von Bauvorhaben sowie im Bestand der Infrastruktur wird in Lippstadt oftmals allein die Sichtweise für den Autoverkehr berücksichtigt. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit der Einrichtung eines Fahrradbeauftragten bei der Stadt Lippstadt, um dort die

Belange des Radverkehrs zu bündeln und Verkehrsprojekte auf Radfahrfreundlichkeit zu prüfen?

DIE LINKE stellt mit Michael Bruns einen Bürgermeisterkandidaten. Er wird sich im Amt für eine sozial-ökologische Mobilitätswende und mehr Klimaschutz einsetzen.

Ob die herrschende Politik an politischen Vorgaben der Verwaltungsspitze, den bisherigen Mehrheiten im Fachausschuss und Rat, der zu autofreundlichen StVO (hinter der man sich gerne versteckt und zu wenig experimentiert), an personeller Unterbesetzung oder am Unwillen der Mitarbeiter*innen der Verwaltung liegt, … ist schwierig zu beurteilen.
Zumindest temporär brauchen wir für die Einleitung und Umsetzung der Verkehrswende mehr Power, wahrscheinlich auch personell.

Die verschiedenen Mobilitätsformen spielen aber immer zusammen im gleichen Verkehrsraum und müssen aufeinander abgestimmt sein. Wir wünschen uns, dass alle Mitarbeiter*innen der Verwaltung sich für die Mobilitätswende ins Zeug legen. Der ADFC soll eine*n aufgeschlossene Ansprechpartner*in bekommen. Radverkehrsfreundlichkeit wird Chefsache!

8.) Unterstützen Sie die Forderung des ADFC nach Aufnahme der Stadt Lippstadt in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS)?

Ja, natürlich!

Mit freundlichen Grüßen

Michael Bruns
ein Sprecher des Ortsverbandes Lippstadt
DIE LINKE-Spitzenkandidat für die Stadtratswahl Lippstadt
Bürgermeisterkandidat