Mit Hartz IV Auszahlung an der Supermarktkasse wird Armut zur Schau gestellt

DIE LINKE und DIE SO! im Kreistag

Der Kreistag soll auf unseren Antrag beschließen: "Der Kreis Soest appelliert an die zuständigen Stellen, das Jobcenter weiterhin für Menschen in Notlagen Barleistungen auszahlen und diese Aufgabe nicht an den Lebensmittelhandel delegiert wird."

Über Medienberichte haben wir erfahren, dass voraussichtlich ab 2019 die Jobcenter in Not- und Ausnahmefällen keine Barleistungen mehr an Leistungsempfänger auszahlen sollen. Stattdessen sollen in diversen Lebensmittelgeschäften die Barleistungen für das Jobcenter ausgezahlt werden. Da im Kreis Soest viele Menschen von ALG II Leistungen leben müssen, der Kreis selber gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit die hiesigen Jobcenter betreibt, sehen wir die Notwendigkeit gegeben hier Einfluss zu nehmen!

Für Menschen, die in materiellen Notlagen leben ist der Staat zuständig, um nach einer Bedürftigkeitsprüfung, ggf. auch kurzfristig, den betroffenen Menschen zu helfen. Für uns ist es vollkommen unverständlich, dass große staatliche Behörden mit teilweise Hunderten Fachkräften sich nicht in der Lage sehen in wenigen Ausnahmefällen Barauszahlungen an hilfesuchende Menschen zu leisten. 

Ein völliges Unding ist es dann weiterhin, wenn private Lebensmittelkonzerne für die Auszahlung instrumentalisiert und um Hilfe gebeten werden. Die Hilfe für bedürftige Menschen ist eine hoheitliche staatliche Aufgabe. 

Neben diesen massiven grundsätzlichen Bedenken sehen wir große nicht hinnehmbare Nachteile für die betroffenen Personen. Hilfesuchende Leistungsempfänger sollen in dringenden Fallen vom Jobcenter einen Barcode erhalten, den sie dann im Supermarkt für die Barauszahlung vorlegen können. In solchen dringenden Notlagen wird der Person dann - neben dem Weg zur Behörde - noch ein weiterer Gang zum Supermarkt zugemutet. 

Aufgrund der akuten Notlagen geht sie dort dann voraussichtlich ohne jedes eigene Bargeld durch den Laden, stellt sich ohne Waren an der Kasse an und erhalten einige Euro ausgezahlt. Dass ist für uns in keinster Weise ein kundenorientiertes, sozial-sensibles Umgehen mit der Notsituation dieser Menschen. 

Andere Kunden werden dies sicher sehen, so wird Armut zwangsweise "zur Schau getragen" und die Hemmschwelle für Menschen in Notlagen sich an das Jobcenter zu wenden wird nur noch größer werden. 

Ohne viel Fantasie ist vorstellbar, dass die Kassiererin beim Discounter vielleicht eine Nachbarin der betroffenen Person ist oder sie sonst als Kundin kennt. Unterliegt die Kassiererin wohl der selben Verschwiegenheitsverpflichtung wie Behördenmitarbeiter?

Oder, die Hilfe wird an der Kasse an direkte Arbeitskollegen ausgezahlt. Etwa 1/3 der ALG II Empfänger geht bundesweit einer Beschäftigung nach und erhält aufgrund des unzureichenden Einkommens ergänzende ALG II Leistungen. Vielleicht ist jemand der morgens den Supermarkt putzt, die Regale einräumt oder vielleicht über Minijob an der Kasse oder Theke beschäftigt ist, dann nachmittags im selben Geschäft um die notwendige Hartz IV Auszahlung zu bekommen. 

Besonders betroffen erscheinen uns die eh schon häufig stigmatisierten wohnungslosen Menschen. Sie müssen in der Regel täglich zum Jobcenter gehen und erhalten täglich den Hartz IV Tagessatz von rund 13 Euro bar ausgezahlt. Sollen nun diese Menschen mit ihrem Gepäck erst zum Jobcenter, dann durch den Supermarkt an die Warteschlange der Kasse und sich Tag für Tag 13 Euro auszahlen lassen? Da erscheint einem Betteln schon fast "würdevoller". 

Warstein, 18.11.2017 

Manfred Weretecki,
Fraktionsvorsitzender
DIE LINKE und DIE SO! im Kreistag

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